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Bericht vom 30. Honolulu-Marathon

- In der Form eines klassischen Theaterstückes -

Hawaii - 8.12.2002

PROLOG

Ausgabe der Startunterlagen:
Nette Helferinnnen, alles geht sehr gemütlich und langsam zu. Keine Ahnung, wie das beim großen Ansturm am Freitag/Samstag funktionieren soll. Aber das ist hawaiianisches "hang loose".

Marathonmesse:
Diese findet wie die Ausgabe der Startunterlagen in einem der großen Waikiki-Hotels statt,
direkt neben Palmen und dem Swimming-Pool.

5km Paarlauf am Donnerstag:
Gewertet werden nur Paare (w+m). Das Alter wird addiert und ergibt die AK (40,60,..., 120),
die Addition beider Laufzeiten wird gewertet. Da ich, wie viele andere keine Partnerin mitbringe (bzw. mitgebracht werde), komme ich in die PartnerInnenbörse und finde schließlich eine Laufpartnerin aus Honolulu. Schön ist auch die Teilnahme vieler Prominenter: Frank Shorter (Olympiasieger 1972 in München), Bill Rodgers (Sieg u.a. in Boston und New York), Mary Slaney-Decker (Weltklasseläuferin auf den Mittelstrecken) sowie Alberto Salazar (Ex-Weltrekordler im Marathonlauf, Sieg u.a. in New York). Bekanntester Deutscher ist Herbert Steffny.

EINLEITUNG

2 Uhr - Aufstehen:
Wie soll um diese Uhrzeit nur ein Bissen Frühstück runter gehen, geschweige denn die Verdauung schon funktionieren?

3:30 Uhr - Abmarsch zum Start:
Viele Reisegruppen werden mit dem Bus gefahren, doch ich bin ganz froh, mich "wach" zu gehen.

Startbereich:
Chaotisches Gedränge, riesige japanische Gruppen mit Gymnastik-"Einpeitschern" (interessant, aber auch mindestens genauso befremdlich für mich), lange Kloschlangen. Trotzdem stelle ich mich an, so dass ich im Gegensatz zu anderen nicht auf der Strecke auf ein Dixie muss. Am
Start hält sich keine/r an die Zeiteinteilung, selbst Zuschauer/innen, die nur fotografieren, stehen mitten auf der Straße.

ENTWICKLUNG

Start:
Der Start ist pünktlich um 5 Uhr, der Startschuss ist ein großes, schönes Feuerwerk.

Lauf:
Ich konnte mich zum Glück weit nach vorne drängeln und kann einigermaßen gut laufen.
Junge japanische Läufer haben offensichtlich keine Ahnung, was 42 km bedeuten und sprinten los. Ich muss aufpassen, nicht selber zu schnell zu werden. Wie zu erwarten, können bereits zwischen 5 und 10km die ersten dieser "Sprinter" nur noch gehen. Carsten aus Berlin erkennt mich auf der Strecke und wir laufen zusammen, obwohl ich mir ein langsameres Tempo vorgenommen hatte. Später schließt sich noch eine Kanadierin an, wir bilden ein tolles Lauftrio.

HÖHEPUNKT UND WENDE

Etwa die letzten 2/3 der Strecke sind eine Pendelstrecke, auf der Gegenseite kommt uns schließlich die Elite entgegen. Der Sieger wird später im Endspurt auf den letzten 50 Metern ermittelt (Zeit 2:12:29), bei den Frauen auf den letzten 3 Meilen (Siegerzeit 2:29:08).

Der Weg ist leicht hügelig (schweizer MitläuferInnen meinen allerdings später: welche Hügel denn?), doch bläst ein teils mächtiger Gegenwind, so dass man eigentlich kontinuierlich leicht "bergauf" läuft.

Nach einer kleinen Wendeschleife durch ein Villenviertel läuft man an der Küste zurück.
Langsam wird es hell und Küste, Meer und Palmen sind besser zu sehen. Es wird allerdings
auch immer wärmer. Zum Glück gibt es heute einige Wolken.

Selbst bis kurz vor dem Ziel kommen uns auf der Gegenfahrbahn all diejenigen entgegen, die noch fast den ganzen Marathon vor sich haben.

Für mich ist der Marathon 5 km zu lange. Ich muss jetzt kämpfen, kann aber trotzdem zunächst Carsten und dann auch der Kanadierin nicht mehr folgen. 4 Wochen Trainingspause verlangen jetzt trotz viel Wanderns ihren Tribut. Ich freunde mich immer mehr mit Frank Shorters Spruch an, der einmal fragte, warum dieser verdammte Grieche nicht schon bei Kilometer 35 gestorben ist.

RETARDATION

Es sind verdammt lange 5km, der Highway zieht sich in einer nicht enden wollenden, nur geradeaus verlaufenden Strecke dahin. Bei der vorletzte Meile geht es zudem noch einmal
einem verdammten Anstieg hoch.

SCHLUSS

Eine lange (ebenfalls gerade verlaufende) letzte Meile führt endlich zur ersehnten Finish-Linie. Noch ein letztes Foto kurz vor dem Ziel und lächelnd ins Ziel gerannt! Meine Zeit ist für mich noch immer fantastisch, Frank Shorter kommt erst ein paar Minuten nach mir ins Ziel. Aber die Zeit spielt auf Hawaii natürlich keine Rolle.

Die netten Mädchen mit den Muschelketten warten, ebenso die "Dusche" direkt nach dem Ziel (unter die alle mit voller Bekleidung "springen"), die Verpflegung und das Finisher-Shirt. Vor der Shiatsu-Massage unterschreibe ich ein Papier, dass ich keine Regressansprüche stellen werde. Nach der Massage weiß ich (leider) warum: meine Masseurin hat mir fast alle Rückenknochen gebrochen und mit voller Wucht meine harten Muskeln zerdrückt.

Aber natürlich überwiegt die riesige Freude, es mal wieder geschafft zu haben, Freude natürlich auch auf die Zeit und den Stolz der anderen, die z.T. ihren ersten Marathon gelaufen sind. Selbst nach 8 Stunden, nachdem ich schon viel Hawaii-Musik genossen habe und die Siegerehrung läuft, kommen noch in dichten Massen LäuferInnen ins Ziel. Spätestens jetzt ist der Marathonlauf längst zum langen Volkswandertag geworden. Soviel ich weiß, wurde der Letzte nach 14:30 Stunden im Ziel gestoppt. Aber klar doch: "hang loose".

EPILOG:

Ich sitze am Abend und auch am Montagmorgen (mit müden Beinen) auf einem Mäuerchen an der Küstenpromenade und beobachte viele japanische Touristen, wie sie humpelnd und mit seltsamsten Schritten, aber mächtig stolz ihr Finisher-Shirt durch Waikiki tragen.


Bilder vom Marathon stehen hier, Bilder von Hawaii gibt es hier.


www.michael-schatz.de